Mitte August, Sommerferien, 35 Grad im Schatten und das Freibad zu – für Bürgermeister Eric Engels seit Jahren ein „Horrorszenario“, das er bislang erfolgreich verhindern konnte. Bis zu diesem Jahr. Da machten gleich mehrere Umstände einen Strich durch die Rechnung. Zum einen die Corona-Krise: verkürzte Badesaison, begrenzte Besucherzahlen, erheblicher Mehraufwand. Die Verwaltung hatte ausgerechnet, dass jede der wenigen Wochen mit wenigen Badegästen rund 30 T€ Zuschuss kosten würde. Zum anderen technische Schäden, entdeckt erst kurz vor Saisonstart bei vollem Becken: An undichten Stellen trat Wasser aus, was so nicht bleiben kann. Mit diesen beiden Problemen wurde der Haupt- und Finanzausschuss einberufen, der wegen Corona ersatzweise zu entscheiden hatte. Und er entschied: Die Badesaison 2020 fällt aus. Wie danach übrigens auch in Bad König, in Beerfurth, in der Stadt Oberzent für alle ihre Bäder und für den Marbach-See.
Damit ging aber die Arbeit erst richtig los. Welche Schäden gibt es, wie lassen sie sich beheben, was kostet es, wie lässt sich das finanzieren? Bürgermeister und Gemeindevorstand arbeiten seit Mai intensiv an diesen Fragen und haben sich qualifizierte Unterstützung an Bord geholt. Die Planungsgesellschaft Hildesheim ist ein renommiertes Ingenieurbüro und hat auch die Sanierung des Odenwald-Hallenbades in Michelstadt erfolgreich zu Ende geführt. So schwirrten in den letzten Wochen Fachbegriffe durch das Rathaus, die dem normalen Badegast fern sein dürften: Kopfdichtung, Schwallwasserbehälter, Beckenhydraulik, Horizontaldurchströmung. Das Ergebnis waren konkrete Pläne für diverse Reparaturen am Bestand.
Stichwort Bestand. Das Freibad ist inzwischen 45 Jahre alt. Im Jahre 2007 wurde es für 1,3 Mio. Euro erstmals saniert – aber eben nur teilweise, und deswegen schon damals kontrovers diskutiert. Auf das alte Betonbecken wurde lediglich ein neuer Rand aus Edelstahl aufgesetzt, das Kinderplanschbecken wurde ersetzt. Von oben betrachtet wirkt dies wie ein neues Bad, aber die Mängel im Untergrund blieben erhalten. Die Badewasseraufbereitung inklusive Heizung wurde ausgetauscht – jedoch ohne eine zeitgemäße Wassererwärmung durch Sonnenenergie gleich mit einzubauen. Außerdem blieben die Zulaufrohre vom Betriebsgebäude bis zu den Einströmdüsen im Becken die alten und schaffen seither ständig Probleme. Vor 5 Jahren musste zuletzt eine Sofortreparatur dieser Bauteile im Sprungbecken veranlasst werden, Kosten: rund 30 T€.
Zu den Instandsetzungsplänen im Rathaus gehörte freilich nicht nur die Technik, sondern auch die Finanzierung und der richtige Zeitplan. Einsparungen aus dem Saisonausfall lassen sich bereits für
erste Reparaturen einsetzen, reichen aber bei weitem nicht aus. Bürgermeister Engels präsentierte den Mandatsträgern die Möglichkeit, beim Land Hessen eine Förderung durch das
Schwimmbad-Investitionsprogramm (SWIM) zu beantragen. Mindestens 30 % der Kosten würden dann von Wiesbaden übernommen – allerdings erst nächstes Jahr. Was dann noch fehlt, muss die Gemeinde aus
eigener Kraft stemmen und ihr Finanzierungsmodell auch der Aufsichtsbehörde vorlegen, nachdem das Ausmaß ständiger Neuverschuldung aus gutem Grund inzwischen begrenzt ist. Als weitere Geldquellen
kommen Einsparungen an Personal (was allerdings zwingend zu eingeschränkten Öffnungszeiten führt), Erhöhungen von Eintrittsgebühren (die allerdings im Verbund mit der Gemeinde Reichelsheim
festgelegt werden müssen) und letztlich die (zeitlich begrenzte) Anhebung der Erträge aus Grund- und Gewerbesteuer in Frage. Exemplarisch hatte die Verwaltung verschiedene Rechenmodelle
aufbereitet. Bürgermeister Engels dazu: „Es gibt viele Wege zum Ziel. Wir zeigen der Kommunalpolitik auf, an welchen Schrauben sie wie weit drehen muss, um es zu erreichen.“
Und gedreht wird seither. Die Gemeindevertretung debattierte in ihrer ersten Präsenzsitzung seit Januar bis 23 Uhr, wie es mit dem Freibad weiter geht. Die CDU-Fraktion sprach sich dafür aus, umzudenken und eine grundsätzliche und nachhaltige Komplettsanierung ins Auge zu fassen, gewissermaßen als Teil 2 der angefangenen Maßnahme aus 2008. Vor allem wegen des Förderprogramms: „Sollten wir tatsächlich in dieses Förderprogramm gelangen“, so die Überlegung, „dann nur einmal im Leben, und dann könnten wir auch richtig fertig sanieren und kein Stückwerk mehr anfangen.“ Damit war der Vorschlag der SPD gemeint, die nur das Notwendigste im Sinn hatte und sich deshalb nur mit der kleinsten von allen Varianten des Gemeindevorstands anfreunden konnte. Was eine Komplettsanierung bedeutet, hatte dieser aber schon 2018 ermitteln lassen: über zwei Millionen Euro. Klar, dass dies nicht ohne eine zeitlich befristete Steuerhöhung hereinzuholen ist. „Bevor wir immer neue Reparaturen riskieren, lasst uns unsere Bürger fragen, ob sie bereit sind, einen großen Wurf mitzutragen“, begründeten die CDU-Parlamentarier ihren Antrag auf einen Bürgerentscheid. Der aber erfordert in Hessen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und rückte an diesem Abend erst mal in die Ferne. Die Abstimmungen endeten unentschieden, und der Bürgermeister nahm den Auftrag mit, mit Wiesbaden weiter zu verhandeln und einen neuen Vorschlag zu entwickeln.
Die CDU-Fraktion bleibt bei ihrem vielfach erklärten Bekenntnis zum Freibad als einem Stück Lebensqualität für die Crumbacher und einem Anziehungspunkt für unsere Gäste – mit nachhaltigen Entscheidungen, die über den Tag hinaus wirken, und mit klaren Ansagen, was sie für alle Bürger bedeuten.
Quelle: Odenwälder Echo vom 06. Juli 2020